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AutorenbildKerstin Tscherpel

Besuch einer deutschen Textilfabrik

Aktualisiert: 23. Mai 2022

Viele Unternehmen lagern ihre Produktion nach Indien oder in andere benachbarte Staaten aus. Gerade in der Textilbranche ist das weit verbreitet und führt häufig zu Kritik wegen der schlechten Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter.


Heute möchte ich von unserem Besuch in der deutschen Textilfabrik, Wilhelm Textil, erzählen, der mich sehr begeistert hat. Wir haben diese Besichtigung im Rahmen des Chemieunterrichts zum Thema Abwasserreinigung geplant. Der Geschäftsführer, Herr Illig, war aber so freundlich, uns den ganzen Prozess der Textilfärbung zu zeigen. Bereits beim Betreten des Geländes und vor allem des Gebäudes, hab ich mich tatsächlich wie in einer deutschen Firma gefühlt. Alles sehr aufgeräumt und modern. Zur Stärkung bekamen wir Snacks und Getränke bevor es losging. Erster Tagesordnungspunkt: Färben des Stoffes.

In der hauseigenen Kantine war alles vorbereitet, so dass wir das Färbeverfahren nicht nur gezeigt und erklärt bekamen, sondern es auch selber ausprobieren durften. Das Wichtigste beim Färbeprozess ist das Rühren nach Zugabe der einzelnen Komponenten. Zumindest wenn das Färben im großen Becherglasstil von Hand stattfindet. Jeder Schüler durfte ein Stück Tuch in einer von ihm gewählten Farbe färben. Am Ende hatten wir Tücher in allen Farben des Regenbogens, die wir mit nach Hause nehmen durften. Typisch indisch wollten natürlich sämtliche Beteiligten auch noch ein Selfie mit der ganzen Gruppe.


Danach wurde uns ebenfalls im Becherglasformat sehr anschaulich der Reinigungsprozess des verschmutzten Abwassers vorgestellt. Die Textilfabrik verfügt über ein ausgeklügeltes Wasserreinigungsystem mit einer Reverse- Osmose Filteranlage. Das Wasser für den Färbeprozess bezieht Wilhem Textil aus den Abwässern der Kläranlagen. Diese sind aber so schmutzig, dass sie erst nochmal gereinigt werden müssen. Nach dem Färben und Durchlaufen der R/O-Anlage ist das Wasser sauberer als es von den hiesigen Kläranlagen kam. Absurderweise muss Wilhelm Textil dieses saubere Wasser trotzdem den örtlichen Abwässern zuführen. 400 000 Liter verarbeitet diese Anlage täglich. Von außen sieht man davon nur glänzende Stahlrohre und Tanks. Da braucht man schon viel Vorstellungsvermögen. Gut, dass wir die Abwasserreinigung in den ersten Schritten zuvor selbst durchführen durften.


Mit am beeindruckendsten war das Qualitätssicherungsverfahren, das die fertigen Stoffe durchlaufen. Vom teuren Spektrometer, um die immer gleiche Farbnuance zu treffen bis zur Reiß- und Abriebfestigkeit wird alles geprüft.

Ich glaube vorher war keinem von uns klar, wieviel Prozesse hinter einem Bündel gefärbten Stoff stehen.

Diese Bündel werden dann in die ganze Welt zu namhaften Modeproduzenten versandt. Bevor es üblich war, die Bündel in Plastikfolie einzuschweißen, ging auch mal eine Kobra mit auf Reisen. Da waren die Empfänger doch etwas überrascht, als sie die plattgedrückte Schlange fanden.


Obwohl Wilhelm Textil nach europäischen Standards fertigt, ist es trotzdem günstiger die Produktion hier nach Indien auszulagern. Die etwa 250 Mitarbeiter des Werkes werden weit über Mindestlohn bezahlt. Aber da die Gehälter in Indien so niedrig sind, liegt der monatliche Lohn trotzdem nur bei 150,-€. Das spart natürlich Kosten. Außerdem ist es hier in Indien üblich, dass sich die Mitarbeiter ihr eigenes Essen mitbringen. Die Firma stellt eine Kantine und einen Wärmeschrank und Kühlschrank zur Aufbewahrung des Lunches. Dass die Mitarbeiter ihr eigenes Essen mitbringen, obwohl es eine Kantine gibt, war mir völlig unverständlich. Selbst im Krankenhaus werden Patienten wohl von ihren Angehörigen mit Essen versorgt. Die Erklärung, die ich bei meiner Nachfrage bekam, ist aber durchaus einleuchtend. Weil es hier in Indien so viele verschiedene Religionen und damit verbundene Ernährungsgewohnheiten gibt, könnte eine Kantine dies nie Leisten. Die einen essen gar kein Fleisch, Moslems kein Schwein, Hindus kein Rind usw. Da ist es einfacher, wenn sich jeder die Mahlzeit seiner Wahl selbst mitbringt.


Als wir zum Abschluss nochmal in dem schicken Konferenzraum über den Ausflug reflektiert haben, waren sich alle einig. Die Schule muss in die Wilhelm Textilfabrik verlegt werden und der Unterrichtsraum der 8. Klasse wird der Konferenzraum. Hier bekamen wir als neueste Innovation noch besondere Stoffe aus Kaffee, Rosen und Orangen präsentiert. Die zarten Stoffe duften entsprechend und haben auch besondere Eigenschaften. So ist z.B. Stoff aus Kaffee geruchsneutralisierend. Natürlich sind diese Stoffe sehr exklusiv und teuer und werden nur von namhaften Designern verwendet. Ein T-Shirt aus Kaffee hätte ich mir gerne gekauft. Gerade hier in Indien, wo man quasi permanent schwitzt, wäre das echt praktisch. Aber das gab es gerade leider nicht.



Zur Abreise bekam jeder noch ein kleines Gastgeschenk und so machten wir uns um viele Eindrücke reicher wieder auf den Weg zurück zur Schule.

Wilhelm Textil ist damit eine Firma, die durch ihrer eigenen Abwasserreinigung die Umwelt schont. Außerdem werden die Mitarbeiter der Firma fair entlohnt und durch Klimaanlagen, Kantine und Betriebsarzt angemessene Arbeitsbedingungen geschaffen.





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