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AutorenbildKerstin Tscherpel

Verschiedene Welten

Seit nun genau 253 Tagen lebe ich in einer anderen Welt. Ich bin 6054 Kilometer entfernt von der Welt, in der ich zuvor 45 Jahre oder 16.425 Tage gelebt habe. In letzter Zeit wird immer deutlicher, dass sich diese Trennung von meiner Heimat, Familie und Freunden nicht nur auf diese 6054 Kilometer zwischen Schwäbisch Hall und Delhi beschränken. Obwohl durch die heutigen medialen Möglichkeiten ein regelmäßiger Kontakt mit meiner Familie einfach möglich ist, wird mir bei diesen Kontakten immer häufiger bewusst, dass ich jetzt tatsächlich auch in einer anderen Realität lebe.


Gestern hat mir der kurze Austausch über WhatsApp mit meiner Schwester und meiner Freundin die Entfernung unserer Welten wieder überdeutlich vor Augen geführt. Während ich in meinem leichtesten Sommerkleidchen bei annähernd 40 Grad unter meiner Pergola Erfrischung durch eisgekühlte frische Zitronenlimonade und ein kühles Fußbad suche und die laue Brise genieße, geht meine Schwester in der dicksten Winterkleidung mit ihren Kindern rodeln. Sicher ist dieser Wetterunterschied den unterschiedlichen Klimazonen geschuldet, trotzdem macht er die Trennung unserer Welten sehr deutlich.


Die unterschiedlichen Realitäten werden vor allem bei den Gesprächen mit meiner Mama deutlich. Deutschland und seine Bewohner leben immer noch in der Pandemie. Meine Mama betont zwar, dass ja alles ganz „normal“ ist, erzählt aber im nächsten Atemzug, wie sie ihren Impfausweis vorzeigen muss, wenn sie zum Essen ausgehen. Das entspricht nicht meiner Definition von „normal“ und löst bei mir ein sehr beklemmendes Gefühl aus.

In Indien sind dagegen die wenigen Restriktionen, die es noch gab und mit denen man hauptsächlich beim Reisen konfrontiert war, aufgehoben. Einzig die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit ist in Delhi geblieben. Diese Bestimmung wird aber im Bewusstsein einer baldigen Aufhebung auch immer laxer von sämtlichen Einwohnern verfolgt. Das liegt bestimmt auch daran, dass das Atmen bei 40 Grad Celsius unter einer Maske echt unangenehm ist. Die Corona-Pandemie hat mir bewusst gemacht, wie wichtig mir die Freiheit ist und ich bin dankbar hier sein zu dürfen.


Der Abstand zu Deutschland ändert zudem die Perspektive. So ist es für mich doch irritierend, wie emotional meine Mama über Putins Angriff auf die Ukraine wettert. Dieser Angriff führt dazu, dass eine Kriegsgefahr realistisch wie schon lange nicht mehr ist. Ein unheilschwangerer Sturm, der von Osten Richtung Europa aufzieht. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre jetzt noch in Deutschland, hätte ich auch Angst. Hier ist der Krieg weit weg, etwa 4574 Kilometer. Auch deswegen, bin ich froh hier zu sein. Durch das Himalaya und Indiens neutraler Politik, fühle ich mich selbst davor relativ geschützt.

Hier gibt es keine Benzinpreiserhöhung, keine Lebensmittelpreiserhöhung oder gar Lebensmittelmangel. Alles sehr beruhigend, wenn man drei Kinder hat, die man versorgen muss.

Meinen Eltern habe ich angeboten, dass ich ihnen falls nötig auch Carepakete aus Indien schicken könnte. Das scheint aber zum Glück noch nicht nötig zu sein. Ich hoffe das bleibt auch so.


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